Bei ENF-Untersuchungen geht es darum, 50/60Hz Einstreuungen ( induktiven “pickups”) der Netzfrequenz und deren Oberschwingungen (Harmonics) in einer Audioaufnahme zu isolieren, mit einer Datenbank zeitlicher Aufzeichnungen der Netz-Versorgungsfrequenz mittels Mustererkennung zu vergleichen und daraus bei Treffern den Aufnahmezeitpunkt und ggf. auch Ort zu verifizieren sowie die Authentizität des Verlaufs zu verifizieren.
Ist eine hinreichend isolierte Darstellung der ENF gegeben, können sowohl abrupte Sprünge im Verlauf analysiert werden als auch atypische Veränderungen, die auf zwei unterschiedliche ENF-pickups schließen lassen, ergo zwei Aufnahmegeräte bzw.- teile und Recapturing.
Dieses Verfahren wurde enthusiastisch in der forensischen Community diskutiert, soweit so gut.
Was bei all dem Enthusiasmus über “fancy techniques” übersehen wir, ist das Problem, dass das Vorhandensein einer Netzfrequenz bzw. deren Harmonics in einer Aufnahme schwer gesichert nachweisbar ist, und wenn ja, das Signal mit seinen Harmonics vom übliche noise floor typischer belasteter Beweismittel kaum isolierbar.
Das liegt auch darin begründet, dass die Harmonics stark in Amplitude abnehmen und die Netzfrequenz im Normalfall um die 50 Hz in einem +/- 20 mHz breiten Korridor, d.h. zwischen 49,98 und 50,02 Hz. schwankt. Darüber hinaus sind ENF-Einstreuungen bei Mobiltelefonen kaum zu erwarten, eher bei netzgebundenen Aufnahmegeräten. Studien zeigten auch, dass die Schwankungen der Netzfrequenz in einem spezifischen Power Grid überraschend konstant sind und damit weitgehend ortsunabhängig.
Fazit: Aus den dargelegten Gründen kann bei einer ENF-Analyse nicht von einem Standard-Verfahren die Rede sein, dessen Anwendung jedenfalls zu erwarten oder geboten ist und sich jedenfalls auch die Frage der Kostenverhältnismäßigkeit (Nutzen/Aufwand/Erfolgsaussichten) stellt.